21-07-04 In Freiheit glauben
Statt den ewigen Gott in seiner Herrlichkeit anzubeten, verehrten sie Götzenstatuen von sterblichen Menschen, von Vögeln und von vierfüßigen und kriechenden Tieren. Römer 1,23 (Hoffnung für alle) In einer großen deutschen Zeitung machte sich eine Autorin Luft und schob den Religionen der Welt die Schuld für Hass, Krieg und Gewalt zu. Wenn es keine Religionen gäbe, so argumentierte sie, ginge es uns besser, weil die wesentliche Ursache für all das Unmenschliche beseitigt wäre. Dieses Argument ist immer wieder mal zu hören, und oberflächlich betrachtet scheinen viele Spannungsherde auf der Welt die Einschätzung zu stützen. Am Ende ihres Artikels schlug die Autorin den gewaltsamen Tod Gottes vor und empfahl allen Ernstes die Anbetung von Tieren, Pflanzen und dergleichen – das erinnerte mich an den obigen Bibeltext. Nun hat ja in der Tat manches, was an Berichten über Gewalttaten und Krieg über unsere Bildschirme flimmert, religiöse Hintergründe. Aber gab es nicht auch unendlich viele Opfer zu den Zeiten, als antireligiöse Systeme an der Macht waren? Wäre allein deshalb die Abschaffung aller Religionen nicht nur keine Lösung, sondern eher kontraproduktiv? Es ist ohnehin nur eine theoretische Frage, weil die Religiosität der Welt insgesamt eher zu- als abnimmt. Was also tun? Eine Empfehlung wäre, den Ansatz von Paulus aufzugreifen: „Den ewigen Gott in seiner Herrlichkeit anzubeten", aber das in Kombination mit einem Charakterzug Gottes, der wohl zu wenig beachtet wird: die Liebe zur Freiheit. Anderen Freiheit zu gewähren ist eine Überzeugung Gottes, die ihn seinen Sohn gekostet hat und auf die er in keinem Fall verzichten wollte. Freiheit heißt, dem anderen seinen Glauben zu lassen, ihm sogar die Freiheit zu gewähren, mich von seiner Sicht der Dinge überzeugen zu wollen – gewaltlos, versteht sich. Denn analog dem berühmten Satz Rosa Luxemburgs ist auch Religionsfreiheit die Freiheit der Andersdenkenden. Für Glaubens- und Gewissensfreiheit einzutreten, brächte uns dem Frieden und der Verständigung untereinander viel näher, auch in der unmittelbaren Nachbarschaft von verschiedenen Kirchen und teils exotisch anmutenden Glaubensauffassungen aus anderen Ländern. Matthias Müller
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Bibellese: Morgens: Hiob 30–31 Abends: Apostelgeschichte 13,26–52