19-11-17 Mit Gott kann man einfach reden.
Und es begab sich, dass er an einem Ort war und betete. Als er aufgehört hatte, sprach einer seiner Jünger zu ihm: Herr, lehre uns beten, wie auch Johannes seine Jünger lehrte. Lukas 11,1
„‚Beten Sie?' Mit kaum einer anderen Frage kann man Menschen so irritieren. Die Frage ist peinlich, die Antwort ist peinlich; es offenbart sich in dieser sprachlosen Peinlichkeit so etwas wie eine transzendentale Obdachlosigkeit. Beten gilt als kindlich und kindisch, weil das Gebet meist die erste frühe Begegnung mit dem Glauben war. Und doch sind die frommen Verse, die einen die Oma als Abendgebet gelehrt hat, auf zarte Weise vertraut geblieben. Oft ist Beten daher auch das Letzte, was Menschen in ihrem Leben tun. Alpha und Omega." (Heribert Prantl, Journalist der Süddeutschen Zeitung: Da hilft nur Beten, in: Der Andere Advent 2016/17, Andere Zeiten e. V., 29.11.2016) Beten Sie? Die Scheu vor dem Beten erlebe ich in meinen Kirchengemeinden immer wieder. „Das möchte ich mindestens zwei Wochen vorher wissen", kommt als Antwort auf die Frage „Kannst du heute das Eröffnungsgebet sprechen?". Deutscher Perfektionismus? Oder liegt es daran, dass beten etwas sehr Intimes ist? Die Jünger waren von der Selbstverständlichkeit und Intensität, mit der Jesus zu seinem Vater betete, fasziniert und angerührt. Sein Gebet offenbarte Kraft und Wirkung und unterschied sich offensichtlich von allen gottesdienstlichen Formen, die sie kannten. Wenn er vom Gespräch mit seinem Vater zurückkehrte, erschien ihr Herr wie verwandelt. „Herr, lehre uns beten!" – Zeige uns, wie wir so beten können, dass wir Gott erleben und auftanken! „Ihr braucht nicht viele Worte zu machen", antwortet Jesus, „euer Vater weiß schon, was ihr braucht, bevor ihr ihn darum bittet" (nach Mt 6,7–8). Mit dem Vaterunser (Lk 11,2–4) hat Jesus seinen Jüngern und uns eine schlichte Form geschenkt, in der alle Grundgedanken des Gebets enthalten sind. „Beten ist das Atmen der Seele", heißt es. Beten bedeutet „mit Gott reden" – mit einem, der mein Vater ist, der mein Freund ist, der alles versteht, was ich nicht mit Worten ausdrücken kann, meine Gedanken, meine Gefühle, meine Freude, meine Angst. Beten Sie? Wenn das Gespräch mit Gott noch ein wenig ungewohnt erscheint oder fremd geworden ist, beginnt man am besten so, wie Jesus es seinen Jüngern beibrachte: „Unser Vater im Himmel ..." Heidemarie Klingeberg