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Autor: caspar 01.11.2020

Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir. Psalm 23,4

Martin Luther spricht eine starke Sprache, die in die Tiefen des Lebens führt. Er beschreibt in dem Psalm, wie es sich anfühlt, allein zu sein, mutterseelenallein. Vieles türmt sich bedrohlich auf wie in einem finsteren Tal und man sehnt sich nach einem Gegenüber, einem Lebensbegleiter. „Ist da jemand? Ist da jemand?", höre ich Adel Tawil mehr als 500 Jahre nach Luther in seinem Popsong aus meinem Autoradio singen. Auch er sucht jemanden, der ihn wirklich versteht, der mit ihm bis ans Ende geht. Natürlich kann man den Song auch hören wie ein ganz banales Liebeslied: Da wünscht sich jemand einen Partner zum Verlieben. Doch beim genaueren Hinhören merkt man, dass es hier viel tiefer geht: Es geht um diese Ursehnsucht nach Geborgenheit, die wohl jeden Menschen in der Tiefe der Seele umtreibt: Nicht allein zu sein, sondern jemanden bei sich zu haben, der fest zu ihm steht – immer und für immer. Das ist mehr, als ein Mensch geben kann. Deshalb entdecke ich in diesem Song die Sehnsucht des Glaubens, ich höre die Frage nach Gott. Diese halten manche für so persönlich, dass sie sie gar nicht mehr aussprechen können oder wollen. Es ist die Sehnsucht nach einem umfassenden Gegenüber und liebevollen Lebensbegleiter. Für Luther war klar: Ja, da ist jemand, nämlich Gott. Und er entdeckte beim Bibelstudium noch etwas: Gott ist nicht die strenge Instanz, deren Liebe man sich verdienen muss, sondern ein liebevolles Gegenüber, das einem helfen will zu leben. Das bedeutet, sich nicht mehr alleine auf die eigenen Stärken und die Sicherheitssysteme dieser Welt verlassen zu müssen, sondern sich fallen zu lassen in die Arme Gottes. Martin Luther wagte das. Die Liebe Gottes befreite ihn von der Sorge um sich selbst. Er wurde frei, um sich um andere sorgen zu können. Die Liebe Gottes gibt er als Nächstenliebe weiter. Das ist die Kernidee: Jedes Leben zählt, weil es ein von Gott geliebtes Leben ist. Deshalb ist niemand allein. Gott begleitet jedes Leben, in guten und in schlechten Tagen, und auch im Tod. Als Luther das entdeckte, fühlte er sich geborgen. Auch Adel Tawil lässt seinen Song tröstlich enden. Er singt: „Ja, da ist jemand." Wer das ist, bleibt offen. Doch höre ich darin zumindest eine zarte Andeutung: Vertrauen in ein großes, liebevolles Gegenüber. Für mich ist das Gott. Beate Strobel

© Advent-Verlag Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung

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